Judo – ein Überblick

Judo wird aus dem japanischen ‚jū‘ = sanft, edel, vornehm und ‚dō‘ = Weg abgeleitet und ist eine japanische Kampfsportart, deren Prinzip „Siegen durch Nachgeben“ eziehungsweise „maximale Wirkung bei einem Minimum an Aufwand“ ist. Die darauf basierenden Judo/Jiu-Jitsu-Vorläuferformen wurden durch den Begründer des Judo, Jigoro Kano (jap. 嘉納治五郎, Kanō Jigorō, 1860–1938), am Anfang des 20. Jahrhunderts für den Wettkampf angepasst. Das heißt, viele ursprüngliche Waffen-, Tritt- und Schlagtechniken sowie alle Hebel außer Ellbogenhebel wurden entfernt. Allerdings sind sie im alten Judo (Kodokan Judo) noch vorhanden, dieses dient aber der Selbstverteidigung.

Bei dem heutigen Sportjudo wurden sie entfernt, um aus einer Kunst, die bis dahin vorwiegend der Selbstverteidigung diente, eine ganzheitliche Lehre für Körper und Geist zu machen. Die verbliebenen Techniken sind hauptsächlich Würfe (jap. Nage Waza), Falltechniken (jap. Ukemi Waza) und Bodentechniken (jap. Katame Waza).

Ein Judo-Kämpfer wird auch Judoka genannt.

Judo ist ein Weg zur Leibesertüchtigung und darüber hinaus auch eine Philosophie zur Persönlichkeitsentwicklung. Zwei philosophische Grundprinzipien liegen dem Judo im Wesentlichen zugrunde. Zum einen das gegenseitige Helfen und Verstehen zum beiderseitigen Fortschritt und Wohlergehen (jita kyōei, 自他共栄) und zum anderen der bestmögliche Einsatz von Körper und Geist (seiryoku zenyō, 精力善用).

Ziel ist es, diese Prinzipien als eine Haltung in sich zu tragen und auf der Judomatte (jap. Tatami) bewusst in jeder Bewegung zum Ausdruck zu bringen. Ein Judo-Meister hört demnach niemals auf, Judo zu praktizieren, auch wenn er nicht im Dōjō (Trainingshalle) ist. Die beiden Säulen des Judo sind im traditionellen Sinne meist der
Formenlauf, jap. Kata und der Übungskampf, jap. Randori (auch als Wettkampf, jap. Shiai).
Klassischerweise gehören daneben auch Kogi (講義, Lehrvortrag) und Mondō (問答, Lehrgespräch) zu diesen Säulen.

Das heutige Judo ist stark von den Wettkampftechniken der letzten Jahre dominiert und wird auch dementsprechend mit
sogenanntem Techniktraining, bei dem gezielt effektive Techniken trainiert werden, geprägt.

Prinzip, Techniken und Praxis

Ausbildung

Traditionell tragen Judoka eine knöchellange weiße Baumwollhose (Zubon) und darüber eine halblange weiße Jacke (Uwagi) aus Baumwolle, die durch einen farbigen Gürtel (Obi) zusammengehalten wird (Judo-Gi).

An der Gürtelfarbe kann man den Ausbildungsstand eines Judoka erkennen. Es gibt die Schülergrade (Kyu) und Meistergrade (Dan). Jeder Anfänger beginnt mit einem weißen Gürtel und kann dann durch Prüfung den nächst höheren Grad erlangen. Der Prüfling demonstriert dabei Fallübungen, Stand- und Bodentechniken, die nach Höhe der Graduierung immer schwieriger werden. Die Schülergrade gehen bis zum braunen Gürtel. Die Meistergrade beginnen mit dem schwarzen Gürtel.

Um in Wettkämpfen die beiden Kontrahenten besser unterscheiden zu können, trägt bei internationalen Meisterschaften ein Judoka einen blauen Anzug. Ist dies nicht möglich, werden die Kämpfer durch einen roten bzw. weißen Gürtel unterschieden (zusätzlich zu ihrem Gürtel entsprechend ihres Kyu- oder Dan-Grades).

Es gibt für alle an den Österreichischen Judoverband angeschlossen Vereine eine einheitliche Kyu-Prüfungsordnung (Novelle 07/2009) bzw. eine Dan-Prüfungsordnung (01. Aprill 2011). Andere Länder besitzen ihre eigenen Prüfungsordnungen, so dass die verschiedenen Grade nicht ohne weiteres miteinander verglichen werden können, sondern nur jeweils in ihrem Umfeld (dem entsprechenden Verband) gelten. Dies gilt auch für etwaige Prüferlizenzen, die national unterschiedlich geregelt werden.

Judotechnik (Waza)

Die Judo-Techniken lassen sich grob in vier Grundtypen einteilen:

  • Nage Waza – Wurftechniken
  • Katame / Ne Waza – Bodentechniken
  • Ukemi Waza – Falltechnik
  • Atemi Waza – Schlagtechniken (Nur in Kata)

Der Schwerpunkt des modernen Judosports liegt in der sportlichen Ertüchtigung und nicht unbedingt in der Selbstverteidigung. Jigoro Kano sagte, dass Judo vor allem dazu dienen soll, durch das Training von Angriffs- und Verteidigungsformen Körper und Geist zu stärken.

Wurftechniken (Nage-waza)

Wurftechniken werden angewandt, um den Partner vom Stand in die Bodenlage zu bringen. Es existiert eine Vielzahl von Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen.

Falltechniken (Ukemi-waza)

Um sich bei den Würfen nicht zu verletzen, müssen alle Judoka Falltechniken erlernen. Dabei werden Techniken geübt, so zu fallen, dass man sich dabei nicht verletzt. Das Fallen wird nach allen Seiten trainiert: Seitwärts (Yoko-ukemi; nach rechts und links), rückwärts (Ushiro-ukemi) und nach vorn (Mae-ukemi). Die Falltechnik vorwärts ist auch als Judorolle bekannt. Träger höherer Gürtelgrade trainieren sie auch als Fall über ein Hindernis und dann als „freien Fall“ in der Luft.

Ähnliche Falltechniken finden sich bei allen anderen Kampfsportarten, die Wurftechniken kennen, wieder. Häufig sind nur Details, wie z. B. das anschließende Aufstehen oder die Art und Weise sich nach dem Fall vor weiteren Angriffen des Partners zu schützen, anders. So stehen Judoka bei der Fallschule vorwärts in Laufrichtung auf, Jiu Jitsuka aber drehen sich noch im Aufstehen herum, um den Angreifer sofort wieder im Blick zu haben.

Kansetsu-waza (Hebeltechniken)

Hebeltechniken werden im Judo nur auf den Ellenbogen angewandt, wobei kontrollierter Druck auf das Gelenk aufgebracht und der Partner zugleich fixiert wird. Die Bewegung entgegen der anatomisch vorgesehenen Bewegungsrichtung führt zu einem stechenden Schmerz, welcher den Partner zur Aufgabe zwingt. Das signalisiert er durch Abklopfen, d. h. dem Klopfen mit einem beliebigen Körperteil auf die Matte/den Partner oder durch den Ausruf von „Maitta“ („Ich gebe auf“), z. B. wenn er sich nicht bewegen kann. Man unterscheidet zwei Arten von Hebeltechniken: Streckhebel (Gatame-Gruppen) oder Beugehebel (Garami-Gruppen). Darüber hinaus werden die Hebeltechniken noch nach dem Hebelprinzip unterteilt.

In anderen Sportarten, z. B. Jiu Jitsu, werden Hebel auch gegen die Beine, Handgelenk, Finger und Nacken (praktisch jedes Gelenk des Körpers) ausgeführt. Aus Sicherheitsgründen ist das beim Judo verboten.

Obwohl diese Technikgruppe gefährlich klingt, gibt es dabei nur selten Verletzungen: Erfahrene Judoka wissen, wie weit sie gehen dürfen – sowohl im Versuch, sich aus einem Hebel herauszuwinden, als auch beim Hebeln selbst. Bei Kindern sind diese Techniken im Wettkampf verboten, da die meisten Kinder zu wenig Erfahrung haben, um zu wissen, wie viel Kraft aufgewendet werden darf oder wann sie aufgeben müssen.

Shime-waza (Würgetechniken)

Wie beim Hebeln ist es Ziel des Würgens, den Gegner zur Aufgabe zu zwingen. Beim Würgen können Halschlagadern und Halsvorderseite angegriffen werden. Direkte Angriffe auf den Kehlkopf sind ebenso verboten wie der Einsatz des eigenen oder gegnerischen Gürtels.

Bei einem Angriff auf die seitlich des Kehlkopfes verlaufenden Halsschlagadern wird durch Ausüben von Druck die Blutzirkulation behindert. Dies führt zu einer Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff. Dadurch tritt nach 8–14 Sekunden Bewusstlosigkeit ein. Dem Angegriffenen bleibt im Wettkampf jedoch meist noch ausreichend Zeit, vorher seine Aufgabe zu signalisieren bzw. der Kampfrichter bricht den Kampf beim Erkennen der Wirkung (Erschlaffung des Körpers, besonders der Beine) mit Ippon für den Würgenden ab. Der Griff muss dann sofort gelöst werden und es erfolgt eine Erstversorgung durch Hochlegen der Beine. Damit erlangt der Gewürgte nach 10–20 Sekunden das Bewusstsein wieder.

Ein Angriff auf die Halsvorderseite führt zu einer Irritation des vegetativen Nervensystems, die sich in Angst- oder Panikzuständen äußert. Die Wirkung dieser Methode tritt sofort ein, wenn der richtige Punkt getroffen wird, obwohl noch genügend Sauerstoff im Blut und in der Lunge ist, um das Gehirn eine Weile zu versorgen. Anders als beim Angriff gegen die Halsschlagader wirkt der Druck unter Anderem auch gegen den Kehlkopf, was als schmerzhaft empfunden wird.

Wie beim Hebeln wird auch hier durch Abschlagen aufgegeben. Im Wettkampf lassen sich Würger wie Hebeltechniken gut im direkten Übergang vom Stand- in den Bodenkampf ausführen, ehe der Gegner eine starke Verteidigung mit den eigenen Händen aufbauen kann.

Wettkampf

Judo ist eine Zweikampf-Sportart. Ziel ist es, den Gegner durch Anwenden einer Technik mit Kraft und Schnelligkeit kontrolliert auf den Rücken zu werfen. Gelingt dies, so ist der Kampf gewonnen, wie ein KO beim Boxen. Dabei ist es meist unerheblich wie geworfen wurde und welche Technik verwendet wurde, solange der Werfende den Geworfenen dabei deutlich kontrolliert und keinen Regelverstoß begeht.

Tatsächlich haben auch einige Techniken anderer Kampfsportarten im Wettkampfjudo ihren Einzug gehalten. Als grober Anhaltspunkt: Je besser der Gegner auf den Rücken fällt, umso bessere Wertungen erhält man. So kann der Kampf nach Ende der Kampfzeit (fünf Minuten im Erwachsenenbereich, zwischen zwei und vier Minuten im Kinder- und Jugendsport) auch nach Wertungen oder durch Kampfrichterentscheid entschieden werden.

Ein Unentschieden (Hiki-wake) wird nur bei Freundschafts- oder in Ligakämpfen nach Ende der regulären Kampfzeit ausgesprochen. Konnte keiner der Kontrahenten vor Ablauf der vollen Kampfzeit einen Vorsprung erzielen folgt ein Kampf im „Golden Score“, der wiederum maximal die halbe Kampfzeit dauert. Die Wertungen aus der vorhergehenden Kampfzeit bleiben dabei erhalten. Der Kampf im „Golden Score“ ist jedoch sofort beendet, sobald einer der Kämpfer eine Wertung erhält oder bestraft wird. Geht auch dieser Kampf ohne einen Gewinner zu Ende kommt es zum Kampfrichterentscheid. Hierbei zeigen auf Kommando des Hauptkampfrichters alle drei Richter gleichzeitig mit Fähnchen an, welcher Kämpfer ihrer Meinung nach besser gekämpft hat. Der Kämpfer mit der Mehrheit an Stimmen gewinnt den Kampf.

Der Kampf findet jedoch nicht ausschließlich im Stand statt, sondern geht auch am Boden weiter. Hier gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten, einen Sieg zu erringen. Wird der Gegner für 25 Sekunden auf dem Rücken liegend am Boden festgehalten, so ist der Kampf gewonnen. Wie bei den Würfen werden auch hier Wertungen für eventuell kürzere Haltezeiten vergeben. Als Alternative besteht die Möglichkeit, den Gegner durch einen Armhebel oder Würgegriff zur Aufgabe zu zwingen. Sobald einer der Kontrahenten jedoch in den Stand zurückkehrt, muss der Kampf unterbrochen und im Stand neu begonnen werden.